Tobias Biever

Autor: Hp. Büschi

Es schien nicht gerade der Tag von Tobias zu werden. Nicht nur, weil es draussen nach einer langen Trockenzeit endlich angefangen hatte zu regnen, um an diesem Frühlingstag der Natur neues Leben einzuhauchen, sondern viel mehr, weil in seinem Kopf sich anfänglich erst ein dumpfes und aufdringliches Brummen bemerkbar machte. Das war aussergewöhnlich. Aber noch viel aussergewöhnlicher war, dass er mehr als eine Stunde vor dem zeitgesteuerten Einschalten seines Radioweckers deswegen erwachte. Noch nie war er mit einem solchen Kopf aufgewacht. Noch nie, waren die Spuren des vorhergehenden Abends so deutlich! Normalerweise dauerte es meist zwei, drei Stunden bis er sie bemerkte, und er war schon längst beim arbeiten an der Universität. Mit ein bis zwei Tabletten hatte er alles schnell wieder unter Kontrolle. Das unangenehme Brummen verschwand und die Müdigkeit wich dem Elan, den ihn durch den Tag trug.

Heute war alles anders. Schon alleine die Tatsache, dass er mit diesem Brummen zu früh erwachte, beunruhigte ihn. Ich werde älter, dachte er. Ich kann nicht einfach mehr die Nacht zum Tag machen und… Aber was soll das, dachte er, was soll das, wenn ich einmal nicht wie immer erwache. Nun bin ich 40 Jahre und ein paar ungerade Tage alt. 40 Jahre zu 365 Tagen und dazu noch einige Schalttage. Er will gerade ausrechnen wie viele Morgen er bisher erwachte, ohne Kopfschmerzen. Tja, 40 Jahre zu 365 Tagen, das sind schon eine Menge Tage und viel Lebenserfahrung. Nie zuvor hatte er eine Krankheit, nie musste er der Schule fern bleiben. Seine akademischen Titel in Mathematik und Physik mit anschliessender erfolgreicher Doktorarbeit zum Physiker hat er in Rekordzeit geschafft. Wenn er einmal nicht zur Vorlesung ging, dann nicht, weil er krank war, sondern weil er schon als Student gerne einmal die Nacht zum Tag machte. Ja er liebte das Leben. Und solange er dazu noch erfolgreich im Beruf war, war alles auf guten Wegen.

Gerade als er versuchte herauszufinden, wie oft er schon einen 29. Februar erlebt hatte und sich in den Gedanken verfing, warum er sich an keinen einzigen dieser Schalttage erinnern konnte, riss die ihm sonst so vertraute Musik von seinem Handy aus den Gedanken raus. Angie von den Rolling Stones, Angie seine Lebenspartnerin,…

Das Brummen in seinem Kopf wurde mit einem Schlag zu einem gewaltigen Orkan mit Blitz und Donner. Normalerweise schläft Angie morgens um halb sechs noch tief und fest. Wenn sie ausnahmsweise einmal zu dieser Zeit aufstehen musste, dann musste er mit ihr sehr behutsam umgehen oder sie für die ersten Minuten im Tag einfach alleine lassen und nicht beachten. Die üblichen zärtlichen Berührungen, welche sie sonst so mochte, ertrug sie nicht. Wenn er aber die Möglichkeit hatte, diese seltenen Tagesanbrüche zu umgehen, schlief er in seiner kleinen eigenen Wohnung in einem Altbau hoch über der Stadt. Statt die Laune seiner Angie zu ertragen, konnte er dann die Fischerboote auf dem See beobachten oder sich den ersten wärmenden Sonnenstrahlen hingeben, welche am gegenüberliegenden Seeufer die Schnee- und Eisfelder der 4000er zum Schimmern brachten.

Die Ahnung, dass sie ihn zu dieser Zeit nicht einfach anruft um zu sagen, ich liebe Dich, lässt das Gewitter zu einem Hurrikan aufbauen… Da das Handy nicht wie üblich auf seinem Nachttischchen ordentlich liegt, sondern zufällig neben seiner ausgezogenen Hose und Schlüsselbund auf dem Fussboden, verwirrt ihn noch mehr und lässt seinen Kopf dröhnen und hindert ihn aus dem Bett zu steigen um nach dem Handy zu greifen.

 

Angie wird wieder stumm und nach ein paar Sekunden hört er die liebevolle Ansage: Hallo, eine SMS für Dich. Danach übermannt ihn die Müdigkeit und er fällt in einen dämmrigen und fiebrigen Schlaf.

Draussen regnet es immer noch.

 

 

Story Kapitel 2_001 

Tobias Biever
Kapitel 1 (Urquelle)
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