Das Herzenhöhren

Jan-Philipp Sendker

Das Herzenhören
Das Herzenhören

Die Geschichte

Die junge New Yorker Anwältin Julia begibt sich auf die Suche nach ihrem vor vier Jahren verschwundenen birmesischen Vater. In Birma angekommen, wird sie schon von einem fremden Mann sehnlichst erwartet. Der fremde Mann weiss über Julia und ihren Vater sehr viel. Der Mann erzählt in wunderschönen Bildern, die ersten Lebensjahre von Julias Vater, welche Julia und ihre Mutter nie erfahren haben: Schon als Kind verlor Julias Vater seinen Vater, die Mutter – vom Aberglauben besessen, verliess ihren Sohn, weil sie glaubte, dass er ein Unglücksbringer sei…

Beim Lesen des Buches taucht man sehr schnell in berührender Weise in die Welt des Lebens und Liebens ein.

Ungeahnter Ausgang des Romans. Happyend oder nicht?

 

 

 

 

 

Meine Meinung

Eine wunderschöne aber auch verrückte Liebesgeschichte. Zutiefst berührend.

 

Sprachlich sehr fein und sorgfältig geschrieben. Augenblicke, und Begebenheiten werden mit sehr viel Beobachtungsgabe wiedergeben. Mich erstaunt auch, mit welchem Fingerspitzengefühl sich der Autor in die junge Julia wandelt. Eine Geschichte, welche tief berührt und sehr empfehlenswert ist.

 

 

Ausschnitt aus dem Buch

Seine Augen waren mir als Erstes aufgefallen. Sie lagen tief in ihren Höhlen, und es war, als könne er den Blick nicht von mir lassen. Alle Gäste des Teehauses starrten mich mehr oder weniger unverhohlen an, aber er war der aufdringlichste. Als wäre ich ein exotisches Wesen, eines, das er zum ersten Mal sieht. Sein Alter konnte ich schlecht schätzen. Sein Gesicht war voller Falten, sechzig war er mit Sicherheit, vielleicht schon siebzig. Er trug ein vergilbtes weisses Hemd, einen grünen Longy und Gummisandalen. Ich versuchte ihn zu ignorieren und blickte mich im Teehaus um, einer Bretterbude mit ein paar Tischen und Hockern, die auf der trockenen, staubigen Erde standen. An einer Wand hingen alte Kalenderblätter, die junge Frauen zeigten. Ihre Gewänder reichten bis auf den Boden, und mit ihren langärmligen Blusen, den hochgeschlossenen Kragen und ihren ernsten Gesichtern erinnerten sie mich an alte, handkolorierte Fotos von Töchtern aus gutem Haus um die Jahrhundertwende, wie man sie auf den Flohmärkten in New York finden konnte. An der Wand gegenüber befand sich eine Vitrine mit Keksen und Reiskuchen, auf denen sich Dutzende von Fliegen niedergelassen hatten. Daneben stand ein Gaskocher mit einem verrussten Kessel, in dem das Wasser für den Tee kochte. In einer Ecke stapelten sich Holzkisten mit orangefarbener Limonade. Ich hatte noch nie in einer so erbärmlichen Hütte gesessen.

Es war brütend heiss, der Schweiss lief mir die Schläfen und den Hals hinab, meine Jeans klebte auf der Haut. Plötzlich stand der Alte auf und kam auf mich zu….